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ProWein 2024: Trendthema PiWis – Die Rebsorten der „next generation“

Von Stuart Pigott und Paula Redes Sidore

Pilzbefall ist und bleibt eine der größten Herausforderungen im Bio-Weinbau. Verstärkt wird das zusätzlich durch eine steigende Nachfrage nach Bio-Weinen, nicht zuletzt resultierend aus dem ausgeprägten Öko-Bewusstsein der Verbraucher.

Hier bieten die PiWi-Rebsorten mit ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Pilzbefall einen neuen und coolen Weg für den Bio-Weinbau – und so spielt PiWi auf der kommenden ProWein vom 10. bis 12. März 2024 eine zentrale Rolle und wird einer der wichtigsten Trends auf der weltgrößten Fachmesse für Wein und Spirituosen sein.

Tatsache ist, dass selbst bio- und biodynamische Produzenten ihre Reben mit Fungiziden spritzen müssen, um diese vor der doppelten Bedrohung durch falschen und echten Mehltau (in der Fachsprache: Peronospera und Oidium) zu schützen – Pflanzenkrankheiten, die im späten 19. Jahrhundert versehentlich aus Nordamerika nach Europa importiert wurden und die sich nicht ausrotten lassen. Die Liste der zulässigen Pflanzenschutzmittel für bio- und biodynamische Weinproduzenten ist im Vergleich zu dem, was im konventionellen Weinbau möglich ist, jedoch deutlich eingeschränkt.

In feuchten Weinbaugebieten wie dem Nordwesten Italiens, im französischen Burgund oder an der Mosel in Deutschland wird im konventionellen Weinbau während einer durchschnittlichen Wachstumssaison sieben bis acht Mal gespritzt, während Bio-Weinbauern mindestens zwölf Mal spritzen müssen, da die Wirksamkeit ihrer Pflanzenschutzmittel gegen den zerstörerischen Pilzbefall geringer ist. Das bedeutet nicht nur extra Arbeit und Mehrkosten, sondern auch mehr Benzinverbrauch der Traktoren und daher größere CO-Emissionen. Die natürlichen Eigenschaften der PiWi-Reben machen es hingegen möglich, dass während der Wachstumsaison nur zwei bis drei Bio-Pflanzenschutzmittel-Anwendungen nötig sind - bezogen auf das Spritzen entspricht das einer Kostenreduktion von etwa 80 Prozent. Man muss nicht Albert Einstein sein, um zu begreifen, dass die Kombination von biologischen und wirtschaftlichen Vorteilen sowie der geringere CO-Fußabdruck PiWi-Rebsorten einfach großartig ist.

Kein Wunder, dass Weinproduzenten in ganz Europa inzwischen begonnen haben, mit PiWis zu experimentieren. Einige Weine dieser Rebsorten sind schon länger erhältlich, doch erst heute werden sie in größerem Ausmaß vermarktet. Das hat viel mit der Arbeit des Schweizer Weinzüchters Valentin Blattner zu tun, der viele der PiWi-Rebsorten der neuen Generation entwickelt hat –darunter Cabernet Blanc, Cabertin und Pinotin. Dank Blattners wegbereitender Arbeit ist Weinbau inzwischen auch in Regionen möglich, die lange als zu kalt galten.

Ein hervorragendes Beispiel eines ernsthaften kommerziellen PiWi-Produzenten ist die Winzer-Kooperative Krems aus dem Donautal in Österreich, die aktuell drei Weine aus in Österreich entwickelten PiWi-Sorten anbietet: Blütenmuskateller, Donauriesling und Donauveltliner. Und ja, diese Weine erinnern an Muskateller, Riesling und Grüner Veltliner. Das nahegelegene Weingut Geyerhof, einer der Wegbereiter des Bio-Weinbaus in Österreich, hat fassgereiften Donauriesling im Angebot. Und in der Steiermark sind 2,9 Prozent der Rebfläche PiWi-Sorten gewidmet – das Doppelte des österreichischen Durchschnitts. Das Weingut Ploder-Rosenberg ist einer der führenden Produzenten dort.

Wir sind gespannt auf den 2023-er Jahrgang der PiWi-Rebsorten Aromera, Riesling Resistente und Souvigner Gris des Produzenten Roberto Anselmi aus der Region Soave, einem der bekanntesten Weißweinproduzenten Italiens. Anselmi ist der erste berühmte Weinproduzent, der sich den PiWi-Sorten ernsthaft verpflichtet hat.

Und dann ist da Zukunftsweine.de – ein Zusammenschluss von rund 60 Produzenten, die dutzende Weine aus PiWi-Sorten produzieren. In Deutschland sind 1.671 ha Rebfläche mit der gut etablierten PiWi-Rebsorte Regent bepflanzt, was diese auf Platz 15 der meistangebauten Rebsorten setzt. Zusammen machen PiWis heute 3,5 Prozent der gesamten deutschen Rebfläche aus. Da jedoch zehn Prozent aller Neubepflanzungen in Deutschland PiWi-Rebsorten sind, wächst ihr Anteil rapide. Einer der ersten deutschen Winzer, der – inspiriert durch Valentin Blattner – schon vor 20 Jahren auf PiWi (konkret die Rebsorte Cabernet Blanc) gesetzt hat, ist das Pfälzer Weingut Graf von Weyher.

Eine weitere gut etablierte PiWi-Rebsorte aus Deutschland, Solaris (eine Kreuzung des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg aus dem Jahr 1975), spielt eine führende Rolle beim aufkeimenden Weinbau an den neuen polaren nördlichen Grenzen des europäischen Weinbaus in Polen, Dänemark – und sogar weiter nördlich in Skandinavien.

Diese Beispiele werfen die Frage auf, warum es nicht schon früher dazu kam? Die erste Antwort ist, dass es sich bei PiWis nicht um reine Vitis Vinifera-Reben handelt und dass Weine aus nicht-Vinifera-Rebsorten lange den Ruf hatten, im Gegensatz zu Vinifera-Rebsorten wie Chardonnay, Riesling, Tempranillo und Sangiovese minderwertig zu sein, was Aroma und Geschmack betrifft. Um ehrlich zu sein, müssen wir zugeben, dass auch wir noch keine PiWi-Weine gekostet haben, die es mit den besten Weinen von Vinifera-Rebsorten aufnehmen könnten. Aber wir haben viele gute Weine aus PiWi-Rebsorten gekostet, sowohl reinsortige als auch solche, in denen der PiWi-Wein der Verschnittpartner ist – häufig zu guten Preisen. Konsumenten können hier Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis finden.

Die moderne Arbeit mit PiWi-Sorten begann zwar erst mit Valentin Blattner im Jahr 1982, doch die Idee, Vitis Vinifera, die Wein-Rebsorte, mit anderen Vitis-Arten zu kreuzen, um neue, schädlingsresistente Sorten zu schöpfen (Fachbegriff: interspezifische Hybride), geht auf die Reblausplage in Frankreich in den 1860er Jahren zurück. Damals begann die Arbeit an Zuchtreben, die später als französische Hybride bekannt werden sollten. Ihre pilzwiderstandsfähigen Eigenschaften waren willkommene Nebenprodukte der gewünschten Resistenz der Reblaus gegenüber ­– des Schädlings, der die Rebwurzeln befiel.

Wenig bekannt ist, dass in Frankreich noch hundert Jahre nach dem Beginn dieses Unterfangens große Rebflächen mit französischen Hybriden bepflanzt waren. Im Bordeaux waren im Jahr 1960 zum Beispiel 30.000 ha mit diesen Rebsorten bepflanzt, verglichen mit 19.000 ha Semillon und 12.000 ha Merlot – damals die meistgepflanzten Vinifera-Rebsorten dort. Im Jahr 1975 setzte die französische Regierung einen nationalen Bann von Neuanpflanzungen dieser Hybriden um und besiegelte damit das Ende dieses Kapitels der französischen Weingeschichte. Dies und die restriktiven Bestimmungen des französischen AOC-Regelwerkes sind der Grund dafür, dass Frankreich in Bezug auf PiWi-Rebsorten hinterherhinkt.

In den Vereinigten Staaten werden die französisch-amerikanischen Hybride weitgehend mit dem Weinbau in den östlichen Bundesstaaten in Verbindung gebracht. Die erste kommerzielle Bepflanzung an den Finger Lakes im Bundesstaat New York geht allerdings erst auf das Jahr 1944 zurück, doch seit den späten 1960-ern und frühen 1970-ern gehören hochwertige Weine aus den weißen Sorten Seyval blanc und Vignobles sowie roter Chambourcin fest zum Angebot der Weinbranche des Bundesstaates New York und werden auch in anderen US-Bundesstaaten entlang der Ostküste weitläufig angepflanzt. Diese Rebsorten genießen dort eine bescheidene Renaissance, dank Weinproduzenten wie Nathan Kendall und freidenkenden Sommelièren wie Pascaline Lepeltier, die ihr bisher unerschlossenes Potenzial für sich entdecken. Und so schließt sich der Kreis: Die aus der Mode geratenen Hybrid-Weinsorten werden wieder zum Trend – und sicher sind weitere spannende Entwicklungen zu erwarten.
www.prowein.com

 

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