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Nachhaltigkeitsansprüche bei Naturkautschuk auf dem Prüfstand

Forschungsteam unter Göttinger Leitung stellt Behauptungen von Großunternehmen in Frage

Viele Unternehmen arbeiten hart daran, ein umweltverantwortliches Image in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Doch wie gut funktioniert das? Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen hat die Behauptung der französischen Michelin-Gruppe in Bezug auf die Nachhaltigkeit ihrer Kautschukplantage, insbesondere Umweltschutz und faire Bezahlung, untersucht. Dann verglich das Team diese Ansprüche mit den von der lokalen Bevölkerung beschriebenen Auswirkungen im Dorf Muara Sekalo in Indonesien. Die Dorfbewohnerinnen und -bewohner berichteten von Landrechtskonflikten und von der Zerstörung von Ökosystemen und dem Lebensraum von Elefanten. Zudem stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass die Bezahlung auf der Kautschukplantage nicht als fair angesehen werden konnte. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Journal of Land Use Science erschienen.

Die langjährige Zusammenarbeit mit indonesischen Forschenden (im Rahmen des deutsch-indonesischen Sonderforschungsbereichs EFForTS - Ökologische und sozioökonomische Funktionen tropischer Tiefland-Regenwaldtransformationssysteme) ermöglichte es dem Forschungsteam, die Menschen vor Ort zu befragen. Dazu führte es 2017 Interviews in dem Dorf Muara Sekalo in der Nähe des Nationalparks „Bukit Tigapuluh“ in Indonesien. Anschließend analysierten sie den Inhalt und studierten die Medienberichterstattung über das Plantagenprojekt von Michelin.

Die „Sustainable Natural Rubber Policy“ der französischen Michelin-Gruppe wurde in Zusammenarbeit mit dem World Wide Fund for Nature (WWF) entwickelt. Michelin hat in Indonesien Kautschukplantagen als Pilotprojekt angelegt, um zu zeigen, dass nachhaltiger Kautschukanbau möglich ist. Die Reifenindustrie verbraucht etwa 75 Prozent des weltweiten Naturkautschuks, so dass es sich hier um ein global lukratives Geschäft handelt. Das Unternehmen Michelin behauptet unter anderem, dass die Modellplantagen ökologisch und sozial nachhaltig seien. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen fügt hinzu, dass das Projekt wildtier-freundlich sei und Arbeitsplätze zu fairen Bedingungen geschaffen werden. Zudem verwendet das Unternehmen den Begriff „zero deforestation“, der den Eindruck vermitteln könnte, dass keine Wälder abgeholzt werden.

Die Erfahrungen der Dorfbewohner und Bauern erzählten eine andere Geschichte. Sie berichteten unter anderem von Konflikten um Landnutzung sowie von Umweltzerstörung durch die Abholzung der Wälder. Dies habe dazu geführt, dass Elefanten, die ihren Lebensraum verloren hatten, auf der Suche nach Nahrung in die Parzellen der Dorfbewohner eingedrungen seien und ihre Ernte zerstört hätten. Einige Bauern, so berichteten sie, waren gezwungen, ihre Landwirtschaft aufzugeben, weil sie sich eine Wiederbepflanzung nicht leisten konnten. Michelin verpflichtet sich in seiner „zero deforestation“-Strategie zudem nur darauf, bestimmte Flächen nicht abzuholen – keinen Primärwald, geschützten Wald oder besonders wertvolle Flächen.

„Wir sehen, dass einige Dorfbewohner von der Präsenz des Unternehmens profitierten, weil neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Dennoch kann dieses Projekt keineswegs als nachhaltig angesehen werden“, sagt Fenna Otten aus der Abteilung Humangeographie der Universität Göttingen und Erstautorin der Studie. „Nur, weil ein Produkt als umweltfreundlich oder nachhaltig gekennzeichnet oder gar zertifiziert ist, heißt das nicht, dass die Bedingungen vor Ort tatsächlich unseren Erwartungen entsprechen. Es besteht ein deutliches Missverhältnis zwischen dem, was viele Menschen unter Nachhaltigkeit verstehen, und dem, was wirklich passiert“, so Otten weiter. „Wir begrüßen die Einführung nachhaltiger Produktionsprozesse. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, dass es sich nicht nur um eine PR-Strategie des Unternehmens und corporate greenwashing handelt.“
www.uni-goettingen.de

 

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