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Warum wir manchen Worten mehr „Sprachraum“ geben

drupa Preis 2019 Vortrag der Preistr gerin Sonia Ben Hedia c Messe DuesseldorfFür ihre Dissertation „Gemination and degemination in English affixation: Investigating the interplay between Morphology, Phonology und Phonetics“ wurde Sonia Ben Hedia (30) am 17. Juni 2019 mit dem drupa Preis 2019 ausgezeichnet. In ihrer an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf verfassten Doktorarbeit untersucht die Sprachwissenschaftlerin u. a. mit Hilfe der Phonetik, wie affigierte Wörter im Gehirn verarbeitet und gespeichert werden. Die Preisträgerin schließt mit ihrer empirischen Forschung eine Wissenslücke in der Linguistik und schafft damit Raum für weitere Grundlagenforschung.

Ausgelobt und gestiftet wird der mit 6.000 Euro dotierte drupa Preis alljährlich von der Messe Düsseldorf. Er richtet sich an eine an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erbrachte außergewöhnliche geisteswissenschaftliche Leistung. Überreicht wurde der drupa Preis am 17. Juni 2019 im Beisein geladener Gäste im Industrie-Club Düsseldorf von Rainer Hundsdörfer (Mitglied des Aussteller- und Besucherbeirats der drupa und Vorsitzender des Vorstands Heidelberger Druckmaschinen AG), Hans Werner Reinhard (Geschäftsführer Messe Düsseldorf GmbH), Prof. Dr. Anja Steinbeck (Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Prof. Dr. Achim Landwehr, Dekan der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Prof. Dr. Ingo Plag vom Institut für Anglistik an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

In ihrer Dissertation beschäftigte sich Sonia Ben Hedia mit sogenannten affigierten Wörtern. Das sind Wörter, die ein „Affix“ besitzen. Ein Affix ist eine Bedeutungseinheit wie un- oder in-, wie sie zur Bildung der Wörter „unnatürlich“ oder „intolerant“ benötigt werden. Anders als andere Wörter können Affixe nicht für sich alleine stehen. Eine zentrale Frage in der Dissertation von Sonia Ben Hedia war, wie affigierte Wörter im Gehirn verarbeitet und gespeichert werden. Rückschlüsse ziehen konnte die Trägerin des drupa Preises 2019 u.a. mithilfe der Phonetik.

Fokus auf Doppelkonsonanten
Ihren Blick richtete Sonia Ben Hedia auf jene englischen Wörter, die in Verbindung mit Affixen Doppelkonsonanten bilden, also doppelte Mitlaute, namentlich waren das un- wie in un-natural, in- wie in in-numerous, dis- wie in dis-satisfy und -ly wie in real-ly. Bei der Aussprache genannter Doppelkonsonanten, also „nn“, „ss“ und „ll“, existieren zwei Möglichkeiten: Entweder sie werden mit einer längeren Dauer als ein einzelner Konsonant artikuliert, hierfür steht der Begriff „Gemination“ beziehungsweise Konsonantenverdoppelung; das heißt, das „nn“ in unnatural wird länger ausgesprochen als das „n“ in uncool. Oder sie werden kürzer ausgesprochen („Degemination“), was bedeutet, dass das „nn“ in unnatural genauso lang artikuliert wird wie das „n“ in uncool. Im Fall einer „Gemination“ wird davon ausgegangen, dass beide Bestandteile des Wortes einzeln im Gehirn abgespeichert und erst in der Sprachproduktion zusammengebaut werden. „Degemination“ hingegen bedeutet, dass affigierte Wörter vornehmlich in toto, also zusammenhängend in einem Wort verarbeitet und abgespeichert werden.

Empirische Belege zur Gemination fehlten bislang; Annahmen dazu basierten größtenteils auf Intuitionen. Diese Lücke konnte Sonia Ben Hedia mit ihrer Dissertation schließen. Dazu untersuchte und wertete die Sprachwissenschaftlerin tausende akustische Signale aus Sätzen und Gesprächen aus, für die sie viele englischsprachige Probanden auf Band hat sprechen lassen. Frau Ben Hedia konnte belegen, dass Wörter, die mit dem Affix „un-“ gebildet werden, also die eine Negation oder Verneinung implizieren, einen buchstäblich viel größeren zeitlichen „Sprachraum“ erhalten, sprich: länger ausgesprochen werden.

Sonia Ben Hedia habe, zitiert Rainer Hundsdörfer in seiner Festrede aus dem wissenschaftlichen Gutachten, einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis morphophonologischer Wechselwirkungen geleistet. „Selbst schwierige statistische Verfahren werden gut erklärt, was es auch nicht eingeweihten Lesern leichtmacht, die in der Arbeit angewandten komplexen analytischen Verfahren nachzuvollziehen. Zusammenfassend ist dies eine herausragende Dissertation, die die höchste Note verdient“, freut sich Rainer Hundsdörfer.

Zur Preisträgerin
Sonia Ben Hedia wurde am 8. Oktober 1988 in Kreuztal im Regierungsbezirk Arnsberg geboren. Nach dem Abitur 2008 studierte sie an der Universität Siegen Englisch und Geschichte auf Lehramt an Gymnasien und Gesamthochschulen. Mit erfolgreich absolvierter erster Staatsprüfung wechselte sie 2014 zum Promotionsstudium an die Philosophische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ihre Dissertation „Gemination and degemination in English affixation: Investigating the interplay between Morphology, Phonology und Phonetics“ beendete sie am 6. September 2018 nach erfolgreicher Disputation mit der Gesamtbewertung summa cum laude.

Sonia Ben Hedia verfügt u.a. über Lehrerfahrungen an Hochschulen im In- und Ausland, wo sie als Gastwissenschaftlerin tätig war. Sie ist Verfasserin beziehungsweise Erstautorin mehrerer wissenschaftlicher Publikationen und hat zahlreiche Vorträge auf nationaler und internationaler Ebene gehalten. Derzeit ist Sonia Ben Hedia wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
www.drupa.de

 

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