Frag den Bot: Generative KI im Handel

Sie können Daten analysieren, Produkte betexten, Kundenfragen beantworten oder Code schreiben – und das quasi auf „Zuruf“: Generative KI und sprachgesteuerte KI-Bots werden den menschlichen Umgang mit Software fundamental verändern. Die EuroCIS 2024 zeigt, wie Handelsunternehmen von der rasanten Entwicklung profitieren können.

Bis vor kurzem waren Jonas Andrulis und sein Unternehmen Aleph Alpha im Handel kaum bekannt – das dürfte sich mit der letzten Finanzierungsrunde geändert haben. Anfang November investierten Bosch, SAP und die Schwarz-Gruppe gemeinsam knapp 470 Millionen Euro in das deutsche KI-Start-up. Seit 2019 entwickelt Aleph Alpha große KI-Sprachmodelle, vergleichbar mit ChatGPT von OpenAI oder Bard von Google. Dabei konzentriert sich das deutsche Unternehmen auf sichere Industrieanwendungen und betreibt bei Heidelberg ein kommerzielles KI-Rechenzentrum.

Die neuen Anteilseigner wollen die KI „made in Germany“ künftig in ihre eigenen Prozesse und Produkte integrieren, um die Produktivität zu steigern und den Kundenservice zu verbessern. Die Schwarz-Gruppe betreibt neben den Lidl- und Kaufland-Märkten eigene Produktionsstätten und ein Entsorgungsunternehmen mit 66 Sortier- und Recyclinganlagen. Mögliche Einsatzgebiete sieht das Handelsunternehmen beispielsweise bei KI-generierten Produktbeschreibungen. Auch bei der Optimierung von Produktionsmengen und Transportwegen oder im Bereich Predictive Maintenance, also der vorausschauenden Wartung von vernetzten Kühlmöbeln, Produktionsanlagen oder Sortierbändern, soll künftig KI zum Einsatz kommen.

KI-relevante Produktkategorien wie Analytics, ERP und Supply Chain-Management bilden auch einen wichtigen Themenschwerpunkt auf der EuroCIS 2024. Etablierte Aussteller wie BE-terna, Blue Yonder, Remira oder Revionics zeigen aktuelle Lösungen für die prognosegestützte Bestands- und Produktionsplanung, für Predictive Maintenance oder Dynamic Pricing, also die dynamische Preisoptimierung abhängig von Faktoren wie Nachfrage, Bestand, Haltbarkeit oder Saisonalität eines Artikels. Machine Learning und große Datenmengen spielen bei diesen Anwendungen eine zentrale Rolle. Für Michael Feindt, einst Gründer und heute Strategic Advisor von Blue Yonder sind selbstlernende Algorithmen dem Menschen längst weit überlegen, wenn es darum geht, abhängig von zahlreichen Variablen in komplexen oder gar nichtlinearen Systemen präzisere Prognosen und Entscheidungen zu liefern.

Allerdings müssen die Menschen dafür die Sprache der Maschine sprechen: Um die komplexen und leistungsstarken Software-Tools zu bedienen, benötigten Anwender bislang tiefere Programmkenntnisse und Verständnis für die zugrundeliegenden Analysemethoden. Mit der neuen KI-Generation, an der neben den großen US-Konzernen auch Aleph Alpha und eine Handvoll europäischer Start-ups arbeiten, könnte sich das künftig ändern. Die sogenannten Large Language Models, also große Sprachmodelle wie OpenAIs GPT-Familie oder Luminous von Aleph Alpha, werden mit gewaltigen Datenmengen trainiert und sind in der Lage, Fragen in natürlicher Sprache zu verstehen und im Kontext mehr oder weniger sinnvoll zu beantworten. Das macht sie zum denkbar einfachsten User-Interface aller Zeiten: Einfach den Bot fragen und fertig.

„Generative KI wird fundamental verändern, wie Menschen mit unserer Software arbeiten,“ sagte SAP-Vorstandssprecher Christian Klein kürzlich dem Handelsblatt. Der Software-Konzern will künftig KI-Assistenten in das gesamte cloudbasierte SAP-Portfolio integrieren, vom Personalwesen bis zum Finanzwesen, Supply Chain Management, Einkauf und Kundenerlebnis. „Joule“, so der Name des neuen Bots, nutze natürliche Sprache und verstehe nicht nur die Anweisung des Nutzers, sondern auch den betriebswirtschaftlichen Kontext, heißt es bei SAP. Der smarte Assistent durchsuche sehr schnell Daten aus unterschiedlichen Systemen und setze sie in einen Zusammenhang, um intelligentere Erkenntnisse zu gewinnen. Erste Chat-Anwendungen sollen ab Ende des Jahres verfügbar sein, Besucher der EuroCIS können Joule also am SAP-Stand bereits auf die Probe stellen. Mit SAP Build Code, einer generativen KI-basierten Code-Entwicklungslösung, will der Walldorfer Software-Riese zudem die Entwicklerproduktivität erhöhen.

Auch bei anderen Ausstellern ist bereits zu erleben, wie durch KI der Umgang mit Software intuitiver und somit für einen breiten Anwenderkreis zugänglicher wird. So hat beispielsweise SymphonyAI, ein internationaler Anbieter von SaaS-Analysesoftware bereits KI-Piloten im Einsatz, die mit branchenspezifischen Daten trainiert werden und intuitive „Was wäre wenn-Fragen“ der Anwender und Anwenderinnen beantworten können. Das dänische Start-up GoFact unterstützt Handelsketten mit einer cloudbasierten Software, die schnelle und faktenbasierte Entscheidungen ermöglicht und konkrete Handlungsempfehlungen liefert. Die Top-on-Lösung kann einfach auf die bestehende IT-Landschaft aufgesetzt werden. Auch das junge Unternehmen Freshflow stellt eine Plug & Play-Lösung vor, mit der Lebensmittelhändler KI-basiert die Bestellung von Frischware optimieren können.

„Generative Künstliche Intelligenz wird in Zukunft Einfluss auf jede Branche und deren Wertschöpfung haben“, glaubt Tim Wirtz, Experte für Enterprise Information Systems beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS. Das deutsche Wissenschaftsinstitut forscht auf den Gebieten Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen und Big Data und ist 2024 erstmals auf der EuroCIS präsent. Am Stand präsentieren die deutschen KI-Experten unter anderem einen Assistenten, um komplexe Datenanalysen in natürlicher Sprache abzufragen. „Der Handel ist geprägt von datengetriebenen Entscheidungen“, so Wirtz. Dass oftmals nur Experten zeitkritische geschäftsrelevante Abfragen durchführen können, sei im Zeitalter von ChatGPT & Co nicht länger zeitgemäß. Sein Ziel: „Mittels KI können sich künftig Mitarbeitende auf allen Ebenen ihre analytischen Ad-hoc-Fragen beantworten lassen.“

Die EuroCIS 2024 findet in den Hallen 9 und 10 des Düsseldorfer Messegeländes statt und ist für Fachbesucher von Dienstag, 27. Februar, bis Donnerstag, 29. Februar 2024, und täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Online kostet die Tageskarte 28,- Euro und das Zwei-Tages-Ticket 39,- Euro. Studenten und Auszubildende zahlen 15,- Euro.
www.eurocis.com